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Auf Schloss Ribbeck im Havelland ist alles Birne

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Wie ein strahlender, goldgelber Barren liegt das renovierte Schloss in der Landschaft. Die Farbe ist ein wenig kräftig ausgefallen, die Forschung belegt ein gedeckteres, zarteres Gelb. Aber Denkmalschutz heute scheidet gern das Echte vom neu Renovierten auch durch die fremdelnde Farbe. Das Schloss erscheint dem anfahrenden Besucher plötzlich und eigentümlich unerwartet direkt. Kein Park vermittelt zwischen Schloss,  Siedlung und Naturlandschaft. „Eine Adelsforscherin hat mir mal dargelegt, dass die meisten Schlossherren sich im 18. und 19. Jahrhundert mit der Anlage eines Schlossparks ruinierten. Die Ribbecks waren schlauer“, erzählt der angesehene Pianist Friedrich Höricke, der für den Landkreis den Geschäftsführerposten auf einem der wohl berühmtesten Architekturdenkmäler des Havellandes versieht. Und das ist  eine weitere, kulturelle Pointe der langen Geschichte der von Ribbecks im Havelland und ihres heute wieder schmucken, ehemaligen Besitzes: auf Ribbeck regiert heute ein spätromantischer Pianist. Der stattliche Künstler, der nicht nur musikalisch, sondern auch von der Ausstrahlung mit seinem langen Haar und klassischer, gepflegter Garderobe nah am 19. Jahrhundert verortet wirkt, fühlt sich wohl im Schloss. Gegenüber hat sich vor einigen Jahren der Zweitgeborene des Letzten Herrn auf Ribbeck ein Haus gebaut. Dieses heutige Wohnhaus trägt ein „Doppeldach“oder Krüppelwalmdach mit der Anordnung der Gauben und Fenster und erinnert so an das Schloss, wie es zu Fontanes Lebzeiten existierte.

Friedrich von Ribbeck genießt dort seinen Lebensabend, die Erinnerung an die Kinderjahre auf dem Gut sind dem im Kriegsjahr 1939 Geborenen gegenwärtig. Jahrgang 1939, ist er der Enkel des 1945 im KZ Sachsenhausen als „Feind des Volkes“ umgebrachten Rittmeisters Hans von Ribbeck. Dessen ältester Sohn lebt in Südamerika, er wäre heute der rechtmäßige Schlossherr. Eine Restitution des Besitzes kam nicht in Frage, da  Deutschland die Bodenreform, eine einmalige Rechtsbeugung in der sowjetisch besetzten Zone, nach der Wende aus vermeintlicher Opportunität nicht zurücknehmen wollte.

Im Schloss überrascht eine lichte Frische, behutsam wurden die Räume ausgestaltet und mit betont schlichter Einrichtung versehen. Hier und da, etwa mit einer Standuhr aus dem Jahr 1822 oder einer Intarsienkommode, hat Friedrich Höricke etwas vom Interieur der Zeit wieder in die Ausstattung aufgenommen. In manchen Räumen stören verchromte Kronleuchter und erinnern an das Innere des Palastes der Republik in der „Hauptstadt der DDR“, von den Berlinern wurde der sozialistische Prachtbau bekanntermaßen auch „Erichs Lampenladen“ genannt.

Im Treppenhaus findet sich ein Fresko aus sozialistischer Zeit, eine gewagte Umdeutung des Ribbeck-Gedichts. Ein fetter Gutsherr verweigert den armen, hungrigen Bauernkindern die Birnen vom Baum. Doch alle Welt weiss ja, wie es wirklich war in der literarischen Gestalt des Gedichts, und so ist die Birne der Star des Schlosses. Aus Marzipan, als Beilage beim Mittagstisch im Restaurant, als Bilderbuch oder Anstecker oder in flüssiger, geistiger Form, abgefüllt in versiegelten 0,2l-Flaschen. Friedrich Höricke organisiert im Schloss Konzerte und Ausstellungen und macht fast vergessen, dass es eine ungebrochene Ribbeck-Geschichte im gleichnamigen Nauener Ortsteil nicht gibt. Wie zur Beschwörung der fortwirkenden Historie wird in der Kirche beim Schloss ein Birnbaum-Stumpf aufbewahrt, eine literarische Reliquie, ein Stück poetisch aufgeladenes Holz, wie es in Deutschland wohl kein zweites gibt.

Mit einem feinen Williams-Nachhall des Birnenbrandes im Gaumen verläßt man die legendäre Stätte. Und weiss doch: die Ribbecksche Birne war wohl eine Römische Schmalzbirne. Aber die wäre mangels ätherischer Duftaromen für einen fruchtigen Brand nicht geeignet. Bei der Bundesgartenschau 2015 in der Havelregion, soviel steht fest, wir das Thema „Birne“ eine nicht unwichtige Rolle spielen. Schloss Ribbeck steht schon jetzt als bedeutender Referenzstandort fest.

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Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland

Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland,

Ein Birnbaum in seinem Garten stand,
Und kam die goldene Herbsteszeit
Und die Birnen leuchteten weit und breit,
Da stopfte, wenn’s Mittag vom Turme scholl,
Der von Ribbeck sich beide Taschen voll,
Und kam in Pantinen ein Junge daher,
So rief er: »Junge, wiste ’ne Beer?«
Und kam ein Mädel, so rief er: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick hebb ’ne Birn.«

So ging es viel Jahre, bis lobesam
Der von Ribbeck auf Ribbeck zu sterben kam.
Er fühlte sein Ende. ’s war Herbsteszeit,
Wieder lachten die Birnen weit und breit;
Da sagte von Ribbeck: »Ich scheide nun ab.
Legt mir eine Birne mit ins Grab.«
Und drei Tage drauf, aus dem Doppeldachhaus,
Trugen von Ribbeck sie hinaus,
Alle Bauern und Büdner mit Feiergesicht
Sangen »Jesus meine Zuversicht«,
Und die Kinder klagten, das Herze schwer:
»He is dod nu. Wer giwt uns nu ’ne Beer?«

So klagten die Kinder. Das war nicht recht –
Ach, sie kannten den alten Ribbeck schlecht;
Der neue freilich, der knausert und spart,
Hält Park und Birnbaum strenge verwahrt.
Aber der alte, vorahnend schon
Und voll Mißtraun gegen den eigenen Sohn,
Der wußte genau, was damals er tat,
Als um eine Birn‘ ins Grab er bat,
Und im dritten Jahr aus dem stillen Haus
Ein Birnbaumsprößling sproßt heraus.

Und die Jahre gingen wohl auf und ab,
Längst wölbt sich ein Birnbaum über dem Grab,
Und in der goldenen Herbsteszeit
Leuchtet’s wieder weit und breit.
Und kommt ein Jung‘ übern Kirchhof her,
So flüstert’s im Baume: »Wiste ’ne Beer?«
Und kommt ein Mädel, so flüstert’s: »Lütt Dirn,
Kumm man röwer, ick gew‘ di ’ne Birn.«

So spendet Segen noch immer die Hand
Des von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland.

Theodor Fontane