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Bienen in Brandenburg: Imkermuseum ohne Zukunft?

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„Sind Sie Wessi oder Ossi?“ Die Frage von Henri Kraatz, dem stadt- und landbekannten Museumsimker aus Möthlow in Märkisch Luch nahe Rathenow, kommt unvermittelt und 22 Jahren nach der Wiedervereinigung unerwartet, wie ein Bienenstich im Gartenstiefel, der plötzlich den Fuß anschwellen läßt. Erst als wir am Couchtisch im angejahrten Wohnzimmer des früheren Gemüsegärtners mit Meisterbrief sitzen, erschließen sich die Hintergründe. Jahre habe es gedauert, bis man ihm in den Reihen des Berliner Imkerbundes vorbehaltlos die Hand gereicht hätte. Dabei sei er, Henri Kraatz, doch ein Großimker gewesen mit 68 Völkern, über die er zu seinen besten Zeiten gebot. Der Westberliner Verbandspräsident habe dagegen das große Wort geführt, obgleich er nur höchstens 8 armselige Bienenvölker im Rücken gehabt hätte. Im Vorstand hätten sich gar Hobbyimker getummelt, die mit 2 Völkern die Imkerei allenfalls als Garten-Dekoration betrieben hätten.  Diese aus seiner Sicht skandalösen Zustände bewegen den 77-jährigen passionierten Imker Henri Kraatz bis zum heutigen Tage. Kein Wunder: Die Bienen sind sein Lebensinhalt. Und auch, wenn er am Rande noch drei Töchter großgezogen hat: Witwer Henris eigentliche Familie summt und brummt und produziert bis zum heutigen Tag den süßen Saft, um den sich hier auf dem Resthof alles zu drehen scheint. Robinie und Linde sind die Hauptsorten, die Jahr für Jahr geschleudert und in den klassischen Pfundgläsern abgefüllt werden. Selbstverständlich weiss Henri Kraatz auch, wie Honig aus anderen Regionen der alten und neuen Bundesländern schmeckt. Besucher bringen ihm schon mal ein Glas mit. Heidehonig sei zwar selten, aber der herbe Geschmack sei sein Ding nicht. Auch die 250 Gramm Honig, die eine Amerikanerin über den großen Teich aus Massachusetts extra mitgebracht hat, um Henri Kraatz am ersten Erfolg mit dem ersten Volk teilhaben zu lassen, fand nicht die Gnade des kritischen Experten. Die US-Imkerin, die er überhaupt an das Hobby herangeführt habe, hätte einfach den Bienenstock eine Saison lang sich selbst überlassen und im Herbst eine Mischernte geschleudert, für Henri Kraatz eine schwere Sünde. Denn der alte Mann ist nicht einfach ein Imker, sondern hat sein Leben daran gesetzt, Brandenburgs einziges Imkermuseum aufzubauen. Die Führung durch sein Reich dauert mindestens 1 1/2 Stunden, Rekord war 6 Stunden. Und wer Henri Kraatz kennt, darf annehmen, dass er locker noch weitere 6 Stunden hätte dranhängen können. Die Imkerei im Wandel der Zeiten, der Bienenkorb als Geschichtstresor, Honig als  süßer Unterrichtsstoff: doch das einzige Imkermuseum in Brandenburg sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Vielleicht gibt es hier nicht die große Show zu sehen, museumspädagogisch aufbereitet und besucherfreundlich inszeniert, aber man spürt die Leidenschaft für das Hobby, das für Henry Kraatz so viel mehr als nur ein Hobby ist. Die kleine Landwirtschaft des Vaters mit Obst und Gemüse war wohl der Grund, warum Sohn Henri von Beruf Gärtner wurde, die Imkerei betrieb und den Hang zum Landleben mit grenzenloser Passion kultivierte.  Nach der Wende erhielt er zunächst die Hofstelle zurück, um sie dann wieder zu verlieren und anschliessend in einem 2. Anlauf für 20.000 DM zu erwerben. Deshalb wohl auch draussen die Hinweisschilder, auf denen „Bienenmuseum, Eigentümer Henri Kraatz“ steht.

Wie lange das Anwesen überhaupt noch betrieben werden kann, steht aber in den Sternen. Henri Kraatz ist schwer krank, eine Übernahme des Bienenmuseums von anderer Seite nicht in Sicht. Ein Ausbau scheint völlig unfinanzierbar, von privat oder von der klammen öffentlichen Hand wohl nicht zu leisten. Eine Lösung könnte sein, den Bestand (auch Landmaschinen und Möbel gehören dazu) zu erfassen und das Bewahrenswerte in laufende Projekte von Stadt und Landkreises zu integrieren, wo die Erinnerung an die Stationen der Agrarkultur gepflegt wird. Derzeit hat Henri Kraatz testamentarisch verfügt, dass das Bienenmuseum als Ganzes zu erhalten ist, die drei Töchter dürften sich schwer tun, unter diesen Vorgaben das Erbe anzutreten. Es brauchte jetzt Gespräche mit dem gewiss störrischen, aber in manchen Momenten auch immer wieder altersmilden Honigmann, damit am Lebensabend ein gewisser Seelenfriede einkehrt, mit dem sich Henri Kraatz immer schwer getan hat.

„Handgranaten und Orden treffen meist die Falschen“, lautete ein markiger Spruch, den er vor 20 Jahren nicht ganz passend den Beauftragten der Treuhand im Kampf um sein Eigentum verbittert entgegengeschleudert hat. Es träfe jetzt den Richtigen, wenn sich nun, wie geplant, jemand mit Sachverstand im Havelland erbarmt und Henri Kraatz besucht.

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